Im Kurs „Nutzerzentrierter Produktentwurf“ war es mein Ziel, ein ästhetisches Sexspielzeug für Männer zu entwickeln, das das Thema enttabuisiert und zugleich neue Konzepte für Kreislauffähigkeit im Hygienebereich erschließt. Zu Beginn analysierte ich bestehende Produkte, führte Gespräche mit einem Ladenbesitzer und las wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Sexualität. Anschließend definierte ich Marktsegmente und arbeitete mögliche Schwächen der Konkurrenzprodukte heraus. Dabei kristallisierte sich der Bedarf nach einer eigenständigen Formensprache ohne sexistische Anlehnung an den weiblichen Körper heraus – kombiniert mit guter Reinigbarkeit, Varianten für unterschiedliche Penisgrößen und einem Fokus auf Nachhaltigkeit.




In der Entwurfsphase standen Ergonomiestudien im Vordergrund, um Formen zu finden, die gut in der Hand liegen. Mit Hilfe von Tonmodellen entwickelte ich erste Prototypen, begleitet von Skizzen und Recherchen zur geeigneten Technik. Auf großen Kartonwänden sammelte ich alle Materialien, Analysen und Entwürfe und diskutierte sie in regelmäßigen Feedbackrunden. Durch CAD-Modelle und 3D-Drucke konnte ich die Entwürfe überprüfen und schrittweise weiterentwickeln.

Bei der Recherche fiel mir auf, dass viele vergleichbare Produkte als reine Wegwerfartikel konzipiert sind. Um dem entgegenzuwirken, setzte ich bei gentl auf drei Kreislaufprinzipien: Recycling, Refurbishing und Repairing (siehe Grafik oben). Im Recyclingkreislauf werden PET und Silikon nach Rückgabe automatisch getrennt: Eingegossene Perforationen ermöglichen eine rückstandsfreie Separation der Materialien, die anschließend sterilisiert und aufbereitet werden. Das PET wird granuliert, das Silikon werkstofflich recycelt (z.B. mit New Dawn Silicones). Beide Materialien können nun wieder für das ursprüngliche Bauteil verwendet werden. Elektronikkomponenten (vPCB, 050-Motor, LiFePO4-Akku) durchlaufen den Refurbishing-Kreislauf, da diese meist eine deutlich längere Lebensdauer haben: Akkus z.B. mit über 80 % Restkapazität (bis zu 2000 Ladezyklen) werden geprüft und wiederverwendet. Der Reparaturkreislauf ermöglicht den Austausch defekter Standardteile dank vollständiger Zerlegbarkeit. Ein Gerätepfand und günstige Reparaturen steigern die Rückgabequote. Neumaterial stammt ausschließlich aus Sekundärquellen, um Primärrohstoffe zu schonen. Dies kann für einen Kreislauf mit 87% Materialzirkulation sorgen, was im Hygienebereich einmalig wäre.


Um die Emissions-Hotspots zu ermitteln, zerlegte ich ein Vergleichsprodukt, wog die Einzelteile und analysierte sie mithilfe externer LCA-Daten hinsichtlich ihrer CO₂-Emissionen. Obwohl die Systemgrenzen eng gesteckt waren und die Werte dadurch tendenziell zu niedrig ausfielen, ließ sich klar erkennen, welche Bereiche die größten Emissionen verursachen. Anschließend stellte ich mein Konzept mit seinen Reparatur- und Wiederverwendungsstrategien dem Vergleichsprodukt gegenüber. Über einen Zeitraum von zehn Jahren müsste das herkömmliche Toy durchschnittlich dreimal neu gekauft werden, während gentl dank Reparierbarkeit und höherer Haltbarkeit deutlich länger im Einsatz bleibt – und dadurch eine wesentlich bessere Umweltbilanz aufweist.


Ein wichtiges Thema war auch, Silikon und das PET-Gehäuse so zu verbinden, dass die Verbindung während der gesamten Nutzungsphase sicher hält und später in der Produktion gezielt wieder getrennt werden kann. Da der Korpus ausschließlich aus zwei Materialien ohne Additive gefertigt werden sollte, verzichtete ich auf Klebstoff. Stattdessen entwickelte ich eingegossene Perforationen im Silikon, die robust genug sind, um der Nutzung standzuhalten, sich im Werk jedoch maschinell voneinander trennen lassen. Auch das Prototyping mit Silikon war eine Herausforderung: Die Gussformen waren relativ komplex, und um Blasenbildung zu vermeiden, musste der gesamte Gießprozess unter Vakuum erfolgen.




Ich entwickelte für gentl eine eigenständige, reduzierte und ergonomische Formensprache, frei von Klischees. Das geschlechtsneutrale Design verzichtet bewusst auf sexistische Körperbezüge sowie auf eine typisch männliche, technische Ästhetik. Durch diese Gestaltung will ich Lovetoys für Männer aus einer stigmatisierten Ecke in den Bereich verantwortungsvoller Selbstfürsorge bringen – gentl muss nicht in der Schublade versteckt werden. Das Griffstück mit integrierter Technik lässt sich modular mit austauschbaren Vorderteilen aus recyceltem PET und Silikon kombinieren, die in verschiedenen Größen und Texturen erhältlich sind. Da diese Vorderteile schneller verschleißen, können sie separat ersetzt werden, wodurch Abfall reduziert und langfristige Nutzung ermöglicht wird.

Wichtig ist, wie sich ein Lovetoy anfühlt. Auf dem Markt dominieren oft Vibratoren, die zu hochfrequent und zu wenig intensiv wahrgenommen werden, oder sehr große Geräte mit Schiebemechanismen, die ein gutes Gefühl bieten, aber unhandlich und fehleranfällig sind. Um einen Mittelweg zu finden, testete ich zunächst verschiedene Ansätze mit Elektromagneten und Arduino-Steuerungen. Schließlich entschied ich mich für einen Getriebemotor mit Schubkurbel, der eine Schwingung von etwa 10 Millimetern erzeugt. Die Bewegung überträgt sich direkt auf den Silikoneinsatz und sorgt für eine dynamische und intensive Stimulation. Diese von mir entwickelte Mechanik ist deutlich kompakter, robuster und langlebiger als die etablierten Produkte.
Alle Bauteile sind verschraubt oder gesteckt. Schrauben, Motor und Batterie sind Standardkomponenten, was die Reparatur erleichtert und den CO₂-Fußabdruck durch effiziente Produktion reduziert. Für die Steuerung setze ich auf eine vPCB-Platine, die deutlich reparaturfreundlicher ist als herkömmliche FR-4-Platinen und am Ende ihrer Lebensdauer zum größten Teil recycelt werden kann.
